Wissen – Bittgebet für Regen und Wasserversorgung

Bittgebet für Regen und Wasserversorgung

1. Gebet und Bittgebet sind Gottesdienste

Der islamische Gottesdienst kann viele verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel das Hauptgebet (ṣalāh) und das Bittgebet (duʿā). Das Hauptgebet folgt einem bestimmten Bewegungsablauf und wird in Form des täglichen fünfmaligen Pflichtgebetes verrichtet. Daneben gibt es auch Nafile-Gebete, also empfohlene Gebete, wie beispielsweise das Vormittagsgebet (Duha-Gebet), das Nachtgebet (Tehedjjud-Gebet) oder das Ewwābin-Gebet. Für jedes dieser Hauptgebete gibt es bestimmte Zeitfenster, in denen sie vollzogen werden.

Bittgebete wiederum sind individuelle Gebete, in denen die Gläubigen persönliche Wünsche, Ängste und Hoffnungen äußern. Gott fordert den Menschen im Koran dazu auf, das Bittgebet zu verrichten: „Sprich: Mein Herr würde Sich nicht um euch kümmern, wäre es nicht um eurer Bittgebete willen“ (Sure el-Furqan, 25:77), wie auch in der Sure el-Muʾmin: „Euer Herr hat gesagt: Ruft Mich an, (und) Ich werde euch antworten.“ (Sure el-Muʾmin, 40:60). Ob Gott uns antwortet und unsere Gebete erhört, kann dabei nicht daran abgelesen werden, ob sich das Gewünschte explizit realisiert. Alle Gebete werden also von Gott beantwortet, was aber nicht in jedem Fall eine Gewährung des Erbetenen zur Folge hat.

Bei den Bittgebeten kann man zwischen wortbasiertem Bittgebet, also dem duʿā qawlī, und dem tatbasierten Bittgebet, also dem duʿā fiʿlī, unterscheiden. Während das erstere eine direkte Ansprache an Gott darstellt, in der der oder die Betende um etwas bittet, meint das zweite die Durchführung der Maßnahmen, die für die Realisierung des Gebetenen notwendig sind. Diese zwei Formen des Bittgebets stellen keine Alternativen dar und sollten stets zusammen vollzogen werden.

Das Bittgebet sollte als Gottesdienst angesehen werden. Die Früchte der Gottesdienerschaft ernten die Gläubigen im Jenseits, daher sollte das Erreichen der irdischen Ziele nicht der Sinn und Zweck des Bittgebets sein. Bittgebete können unabhängig von festgelegten Zeiten gemacht werden, aber auch zu bestimmten Zeiten oder beim Eintreten verschiedener Bedingungen.

2. Was ist das Regengebet und das Regenbittgebet?

Ein zeitlich befristetes Gebet ist das Regengebet. Der Anlass für die Verrichtung des Regengebets wie auch des Regenbittgebets ist eine Dürre oder ein Wassermangel. Der arabische Terminus für dieses Gebet lautet istisḳāʾ, was sich von der Wurzel saqāسقى , ableitet. Es bedeutet, jemandem etwas zu trinken geben, etwas tränken oder bewässern. In der Form istisḳāʾ bedeutet es, jemanden um Wasser oder etwas zu trinken zu bitten. Ableitungen aus der Wurzel saqā kommen im Koran mehrmals vor, in der Form von istisḳāʾ kommt es in zwei Versen vor. Einer von diesen Versen berichtet davon, dass das Volk von Moses ihn um Wasser bittet (el-ʿArāf, 7:160), im anderen Vers (el-Baqara, 2:60) bittet Moses Gott um Wasser. Daraufhin schlägt Moses mit seinem Stab auf einen Felsen, aus dem zwölf Wasserquellen entspringen.

In vielen Religionen und Glaubensrichtungen gilt Regen als Symbol der Fruchtbarkeit und als Zeichen der Gunst Gottes, während Dürre als Strafe Gottes angesehen wird. Aus diesem Grund sind die Rituale, die während der Dürrezeit vollzogen werden, sehr alt und erstrecken sich über einen großen geografischen Raum. So gab es bereits im Judentum Regengebete. Diese wurden nach einer Dürreperiode zur Zeit des Zweiten Tempels als eigene Gebetsform in die Mischna aufgenommen. Auch in der vorislamischen Zeit waren auf der arabischen Halbinsel Rituale für den Regen vorhanden. Diese abrahamitische und mosaische Tradition wurde vom Propheten Muḥammad (saw) aufgenommen und den islamischen Grundsätzen angepasst. Der Prophet (saw) soll bereits als Kind mit seinem Großvater ʿAbdulmuttalib bei einem Regenbittgebet anwesend gewesen sein.

Wie oben bereits angemerkt wurde, darf auch beim Regengebet das tatbasierte Bittgebet nicht unterlassen werden. Das bedeutet, dass alle möglichen Maßnahmen – sei es individuell, gesellschaftlich und/oder politisch – ergriffen werden müssen, um einen möglichst sparsamen Umgang mit Wasser gewährleisten zu können. Beispielsweise ist die Politik gefordert, staatliche Regulierungen zum Einsparen und zum Schutz von Wasser zu etablieren. Zum anderen ist aber genauso jede einzelne Person gefordert, sich mit ihrem persönlichen Wasserverbrauch auseinanderzusetzen. Neben dem direkten Wasserverbrauch, der in der Regel nicht allzu hoch ausfällt, verbrauchen wir ungeheure Mengen an virtuellem Wasser. Virtuelles Wasser beschreibt, welche Menge an Wasser im Herstellungsprozess eines Produktes verwendet wird. Diese Wassermenge ist für die Verbraucher auf den ersten Blick nicht sichtbar und muss recherchiert werden. Daher sollte das persönliche Konsumverhalten ebenfalls kritisch analysiert und wassersparend ausgelegt werden. Dies alles gilt als tatbasiertes Bittgebet.

3. Regenbittgebet(e) und Regengebet

Es gibt mehrere Überlieferungen, wie der Prophet (saw) das Regengebet vollzogen hat. Dabei gibt es kleine Unterschiede in der Reihenfolge und in Details der Ausführung. Wenn man diese Überlieferungen der Regengebete, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten stattfanden, als Ganzes betrachtet, sieht man, dass das Regengebet manchmal innerhalb der Moschee und manchmal außerhalb der Stadt verrichtet wurde. Eine Predigt wurde gehalten, um die Menschen zur Reue und zum Gebet aufzufordern. Zwei Rak’ats (Gebetseinheiten) wurden manchmal verrichtet, und manchmal wurde nur das Bittgebet ausgesprochen. Das Regengebet kann in Gemeinschaft oder einzeln verrichtet werden.

Die Bewohner der Region, in der die Dürre herrscht, versammeln sich in einer Moschee oder auf einem offenen Gelände. Zunächst zeigt man Reue und bittet Gott um Verzeihung Der Imam begibt sich an einen hohen Ort, etwa auf einen Hügel, und spricht das folgende Wasserversorgungsbittgebet (Istisḳāʾ-Gebet) (es gibt auch andere Fassungen des Bittgebets):

Aller Lobpreis und Dank sei Allah, dem Herrn der Welten. Dem Sich Erbarmenden, dem Barmherzigen. Dem Herrscher am Tage des Gerichts. Es gibt keinen Gott außer Allah. Er tut, was Er will. O Allah, Du bist Allah. Es gibt keinen Gott außer Dir. Du bist derjenige, der nichts braucht. Wir hingegen brauchen Dich in jeder Situation. Gewähre uns Regen, und gib uns Kraft und Genügsamkeit in dem Regen, den du uns bis zu einer bestimmten Zeit gibst. O Allah, versorge Deine Diener und Tiere mit Wasser, verbreite Deine Barmherzigkeit überall und belebe die toten und ausgetrockneten Gegenden. O Allah, gewähre uns möglichst schnell, ohne Verzögerung Regen, der verheißungsvoll, gut, gedeihlich, reichlich, wohltuend und nicht schädlich ist.

Nachdem der Imam das Bittgebet ausgesprochen hat[1], dreht er sich zur Gemeinde um, steigt mit zum Gebet erhobenen Händen hinab und verrichtet entweder einzeln oder in Gemeinschaft das Regengebet.

Auf dieses Gebet kann eine Khutba folgen. Der Prediger steigt dabei nicht auf die Kanzel, sondern bleibt auf dem Boden und verliest die Predigt.

Es wird empfohlen, drei Tage hintereinander das Bittgebet für den Regen zu vollziehen. Es gibt weitere Empfehlungen, mit welchen Handlungen man das Regengebet begleiten kann. Dazu gehört zunächst, dass an den drei Tagen vor dem Regengebet gefastet werden sollte. Ebenso sollten sich die Menschen miteinander versöhnen und mit einem reinen Herzen und Gewissen vor Gott treten. Eine weitere empfohlene Handlung ist die Speisung und Unterstützung von Armen und Bedürftigen.

Das Regenbittgebet kann gemeinsam mit Gläubigen anderer monotheistischer Religionen in Gemeinschaft vollzogen werden.

Herausgegeben von der Islamischen Akademie für Bildung und Gesellschaft (ABG).

Quellen

  • Mustafa BAKTIR: Istiskâ. In: Islam Ansiklopedisi. 23. Bd. S. 381–383.
  • T. FAHD: Istiska. In: Encyclopaedia of Islam. Second Edition. Online abgerufen.
  • Bediuzzaman Said NURSI: 23. Wort, 5. Punkt (S. 35–42). In: Kleine Worte. Berlin, Define Verlag 2021.

[1] Es gibt Überlieferungen, die davon berichtet, dass der Prophet an dieser Stelle seinen Mantel ausgezogen und verkehrt herum angezogen hat. Dies ist symbolisch zu verstehen als eine Veränderung und Umkehr der vorhandenen Umstände.

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