Tugendhaftigkeit und Keuschheit

بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ

وَلَا تَقْفُ مَا لَيْسَ لَكَ بِهِعِلْمٌۜ اِنَّ السَّمْعَ وَالْبَصَرَ وَالْفُؤٰادَ كُلُّ اُو۬لٰٓئِكَ كَانَ عَنْهُ مَسْؤُ۫لًا

Und folge nicht dem, wovon du kein Wissen hast (sei es gut oder schlecht), und enthalte dich grundloser Behauptungen und Vermutungen. Wahrlich, Gehör, Sehvermögen und Herz – sie alle werden dereinst darüber befragt werden (du bist verantwortlich, und du wirst für sie alle am Tag des Jüngsten Gerichts zur Rechenschaft gezogen).

(Sure 17 Vers 36)

              اَللّٰهُمَّ إِنِّي أَسْأَلُكَ الْهُدَى وَالتُّقَى وَالْعَفَافَ وَالْغِنَى أنَّ النَّبيَّ صلَّى اللَّهُ عليهِ وسلَّمَ كانَ يَدعو:

Der Prophet (F.s.m.i) betete wie folgt: „ Oh Herr ich bitte dich um Rechtleitung, Gottbewustsein, Tugendhaftigkeit und Keuschheit sowie Genügsamkeit“.

(Muslim, Dhikr, 72)

Ehrenwerte Musliminnen und Muslime! Unsere heutige Predigt handelt von der Tugendhaftigkeit und Keuschheit.

Die Tugendhaftigkeit oder Keuschheit ist, dass der Mensch ein sensibles Leben in Bezug auf seine Würde führt, dass er mit seinen Augen immer nach dem Guten schaut, seine Ohren unter Kontrolle hat, seine Zunge nicht unnötig gebraucht, von keinem anderen bettelt. Kurzum bedeuten Tugendhaftigkeit und Keuschheit, dass der Mensch in jeder Haltung und jeder Handlung im Rahmen der Anständigkeit und Schamhaftigkeit sich befindet.

Im Allgemeinen bedeutet Tugendhaftigkeit und Keuschheit, dass man seinen Willen nutzt, um seine biologischen Triebe zu kontrollieren und sich von der Unzucht als auch von der Lasterhaftigkeit fernzuhalten. Der Koran betont  unter anderem, dass die Gläubigen keusch und schamhaft sind, ihren Körper züchtig bedecken und ihre Schamteile bewahren (Sure 23, Vers 5-7), auch diese sind eine Dimension der Tugendhaftigkeit und Keuschheit. Außerdem wird unterstrichen, dass so ein Lebensstil von Gott reichlich belohnt wird, und die Vergebung Gottes nach sich zieht (Sure 33, Vers 35). Des Weiteren befiehlt Gott den Gläubigen, ihre Blicke zu schützen (Sure 24, 31-31). Indem der Prophet Joseph (F.s.m.I) und Maria (Gott habe Wohlgefallen an ihr) erwähnt werden, wird den Gläubigen ein Ideal vorgegeben, nachdem getrachtet werden sollte.

Als der Prophet Joseph (F.s.m.I) durch die Frau des Veziers zu einer Sünde eingeladen wurde, blieb er standhaft und sagte: „[…]Mein Herr! Der Kerker ist mir lieber als das, wozu sie mich auffordern […].“ Statt seinen Trieben nachzugeben, hat er es eingesehen jahrelang im Kerker zu verbringen.  Dieses Verhalten ist ein Beispiel für alle Gläubigen in Bezug auf ein keusches tugendhaftes Leben.

Ebenso ist Maria (Gott habe Wohlgefallen an ihr) ein Beispiel für die Menschheit, in diesem Zusammenhang heißt es: „(Und erwähne) auch jene gesegnete Frau, die das beste Beispiel durch die Wahrung ihrer Keuschheit abgab. Wir hauchten ihr von Unserem Geist ein, und Wir machten sie und ihren Sohn zu einem wunderbaren Zeichen (Unserer Macht und der unvergleichlichen Weise, auf die Wir Ereignisse herbeiführen) für alle Welten.“ (Sure 21 Vers 91)

Bediuzzaman sagte: „Die Grenzen des Erlaubten (halāl) sind weit gesteckt und reichen aus, um das menschliche Bedürfnis nach Vergnügen zu befriedigen. Es gibt keinen Grund, die Grenzen zum Verbotenen (harām) zu überschreiten.“ Nach dem von Bediuzzaman ausgedrückten Maßstab bedeutet Tugendhaftigkeit und Keuschheit, innerhalb des legitimen Rahmens zu leben und nicht in den illegitimen Bereich zu schauen, die Hand nach ihr auszustrecken oder in ihr hineinzutreten. Daher sollte eine keusche Person mit seinen Körperteilen wie Augen, Ohren, Händen und Füßen innerhalb des erlaubten Rahmens sich in Freude begnügen, und in keiner Weise und mit keinem Mittel verwehrtes begehen und Situationen vermeiden, die ihre Keuschheit berühren.

Ein Glaube, der nicht durch Wohltaten und Kontemplation unterstützt wird, wird auch nicht in der Lage sein, den Gläubigen Kraft und Beständigkeit gegenüber Sünden zu geben. Wer den Glauben nicht zu einem Teil seines Gewissens und zu einer Tiefe seines Wesens machen kann, kann kein Monument der Keuschheit werden.

Alle Propheten vermieden Verschwendung und lebten ein einfaches und ein Leben in Demut, Bescheidenheit. Einigen Propheten, wie David und Salomo, Friede sei mit ihnen, waren Könige. Sie gaben jedoch nie ihr bescheidenes Leben auf und nutzten alle Mittel und Kräfte, für den Glauben. Ja, sie ließen nie Zweifel an ihrer Keuschheit und Bescheidenheit aufkommen, sie flößten ihrer Umgebung stets Vertrauen ein und blieben ihren prophetischen Eigenschaften zeitlebens treu. Unter diesem Gesichtspunkt ist es wichtig, dass Menschen, die auf dem Weg der Propheten wandeln, diese Eigenschaften haben, die untrennbar mit den Eigenschaften der Propheten verbunden sind.

Die Erreichung eines vollkommenen Muslimentums hängt mit Tugendhaftigkeit und Keuschheit zusammen:

In den islamischen Quellen, insbesondere im edlen Koran und in den Hadithen, wird es nicht als ausreichend angesehen, nur zu glauben und einige Regeln der Religion zu erfüllen, um als vollkommener Muslim zu gelten. Es wird auch betont, dass eine Person mit Tugenden wie Keuschheit, Bescheidenheit, Anstand, Genügsamkeit, ausgestattet sein sollte und Verhaltensweisen vermeiden sollte, die aus religiöser Sicht als sündhaft und von Menschen mit gesundem Menschenverstand als schlecht angesehen werden.

Gelehrte, die sich auf Koranverse und Hadithe beriefen, betrachteten die Enthaltsamkeit von allen Formen der Sünde als Voraussetzung für das Erreichen der Vollkommenheit in der Religion und der Tugend. 

Der Koranvers: „Meidet die Sünde, ob sie nun öffentlich oder insgeheim begangen wird[…]“ (Sure 6 Vers 120), und die Überlieferung vom Propheten (F.s.m.I): „Wer mir verspricht, das, was zwischen seinem Schnurrbart und Bart liegt (die Zunge) und das was zwischen seinen Beinen (Schambereich) ist zu kontrollieren, dem garantiere ich den Eintritt ins Paradies.“ (Bukhārī, ḥudūd, 19) offenbart den Umfang der Tugend der Keuschheit und ihre Bedeutung in der islamischen Normenlehre.

Wohlmeinungen und positive Sichtweisen

Ein Muslim sollte nicht sofort alles glauben, was über andere Menschen gesagt wird oder was für Nachrichten verbreitet werden. Es ist wichtig, vorsichtig zu sein und sich nicht an Gerüchten oder Verleumdungen zu beteiligen. So wie bei Dingen die Erlaubtheit das Grundprinzip bildet, bis auf einen eindeutigen Beweis für die Verwehrung, gilt auch bei Menschen die Unschuldsvermutung. Daher sollte man andere nicht sofort aufgrund von Behauptungen verurteilen, deren Wahrheit nicht sicher ist.

Heutzutage werden unter Vorwänden wie dem Recht auf Information und der Freiheit der Berichterstattung die Tugendhaftigkeit und Keuschheit und das Ansehen von Menschen angegriffen. Unsere Aufgabe ist es, die Ehre und Integrität der Menschen zu schützen. Auch aus rechtlicher Sicht gilt jemand bis zum Beweis seiner Schuld als unschuldig. Gott hat uns nicht damit beauftragt, die Fehler, Mängel und Sünden anderer Menschen aufzudecken. Eine solche Verantwortung zählt auch nicht zu den religiösen Pflichten eines verantwortlichen, zurechnungsfähigen Muslims (Efâl-i mükellefîn). Wenn es ein Verbrechen gibt, das das Allgemeinwohl betrifft, ist es die Aufgabe des Staates, dies zu untersuchen, zu beweisen und zu bestrafen.

Der Gesandte Gottes (F.s.m.I) sagte selbst zu jemandem, der ihm seine Sünde gestanden hat: „Kehr zurück, bereue, es gibt keine Sünde, die Gott nicht vergeben könnte.“

Ehrenwerte Gläubige!

Die Essenz der Begriffe „Tugendhaftigkeit und Keuschheit“ besteht darin, sich von Verwehrtem fernzuhalten, indem man die Gliedmaßen wie Zunge, Augen, Ohren, Hände und Füße vor Sünden schützt und sich mit den Vergnügungen und Geschmäckern innerhalb des erlaubten-Rahmens zufrieden gibt. Gott, der Allmächtige, hat die Menschen nie aufgefordert, etwas zu tun, was sie nicht tun können. Also gibt es keine unzumutbaren Verpflichtungen. Es wird sich zeigen, dass alles, was befohlen wird, von der Art ist, die getan werden kann und unser Herz und unser geistiges Leben lebendig hält. Hinter jedem Vergnügen im illegitimen Rahmen verbergen sich Tausende von Sorgen, Tausende von Kummer.

Leben wir also mit unserer Tugendhaftigkeit und Keuschheit, begraben wir unsere vorübergehenden Begierden. Lassen wir uns nicht täuschen wie diejenigen, die meinen, die Welt sei alles. Lasst uns nicht so werden wie diejenigen, die sich Karunisiert haben; lasst uns nicht zu Pharaonen werden wie diejenigen, die zu Pharaonen wurden. So lasst uns unseren Glauben bewahren und unser Jenseits gewinnen.  Möge Er uns unsere Sünden vergeben, möge Er die Dinge bedecken, die uns in Verlegenheit bringen, möge Er uns beim Jüngsten Gericht nicht in Schande bringen und entehren!

Möge mein Herr unsere Zunge nicht vom Dhikr und unseren Körper nicht vom Gottesdienst trennen. Möge Er uns gewähren, unsere Religion zu verstehen, aufzuklären und auf die korrekteste Weise zu leben! Amin.

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