
بسم الله الرحمن الرحيم
وَمَن يُهَاجِرۡ فِي سَبِيلِ ٱللَّهِ يَجِدۡ فِي ٱلۡأَرۡضِ مُرَٰغَمٗا كَثِيرٗا وَسَعَةٗۚ وَمَن يَخۡرُجۡ مِنۢ بَيۡتِهِۦ مُهَاجِرًا إِلَى ٱللَّهِ وَرَسُولِهِۦ ثُمَّ يُدۡرِكۡهُ ٱلۡمَوۡتُ فَقَدۡ وَقَعَ أَجۡرُهُۥ عَلَى ٱللَّهِۗ وَكَانَ ٱللَّهُ غَفُورٗا رَّحِيمٗا
„Wer auch immer auswandert für Gottes Sache, findet auf Erden viele Zufluchtsorte und reichlich bemessenen Wohlstand. Wer sein Haus verlässt und für Gott und Seinen Gesandten auswandert und es ereilt ihn dann der Tod (während er unterwegs ist), dessen Lohn obliegt ganz gewiss Gott. Gott ist vergebend, barmherzig.“[1]
In einer Überlieferung vom Propheten (F.s.m.i) heißt es:
سَمِعْتُ عُمَرَ بْنَ الْخَطَّابِ ، يَقُولُ : قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ : “ إِنَّمَا الْأَعْمَالُ بِالنِّيَّاتِ ، وَإِنَّمَا لِكُلِّ امْرِئٍ مَا نَوَى ، فَمَنْ كَانَتْ هِجْرَتُهُ إِلَى اللَّهِ وَرَسُولِهِ فَهِجْرَتُهُ إِلَى اللَّهِ وَرَسُولِهِ ، وَمَنْ كَانَتْ هِجْرَتُهُ لِدُنْيَا يُصِيبُهَا أَوِ امْرَأَةٍ يَتَزَوَّجُهَا فَهِجْرَتُهُ إِلَى مَا هَاجَرَ إِلَيْهِ „
Ich hörte ʿUmar ibn el-Khaṭṭāb sagen: „ Der Gesandten Gottes (Frieden und Segen seien mit ihm) sagte: „Die Handlungen bemessen sich nach den Intentionen und jedermann steht das zu, was er beabsichtigt hat. Wer also seine Auswanderung um Gott und Seines Gesandten Willen unternommen hat, dessen Auswanderung gilt für Gott und Seines Gesandten. Wer aber seine Auswanderung unternommen hat, um etwas Weltliches zu erreichen oder eine Frau zu heiraten, dessen Auswanderung gilt für das, was er mit seiner Auswanderung beabsichtigt hat.[2]
Ehrenwerte Musliminnen und Muslime! Unsere heutige Predigt handelt vom Neujahresempfang laut dem islamischen Kalender und der Auswanderung.
Mit der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag begann mit dem Gebetsruf am Abend der Monat Muḥarram. Im Islamischen Terminus weist die Hidschra auf das Jahr 622 n.Chr. hin, bei dem der Prophet Muhammed (F.s.m.i.) mit seinen Gefährten von Mekka nach Medina ausgewandert ist, um in einem freien Umfeld den eigenen Glauben ausleben zu können. Die Hidschra ist ein bedeutendes Ereignis in der Zeit des Zeitalters des Glücks (Zeitalter, in dem der Prophet (F.s.m.i) gelebt hat). Als man in der Zeit des Kalifats von ʿUmar ibn al-Khattāb nach einem historischen Ausgangspunkt suchte – obwohl es viele Ereignisse gab, die jeweils wie ein einzelner
Die Hidschra ist ein bedeutendes Ereignis. Als man während des Kalifats von ʿUmar ibn al-Khattāb nach einem Anfangspunkt für eine Zeitrechnung suchte – unter all den Ereignissen, die jeweils ein Juwel für sich darstellen, wie die Geburt des Propheten (F.s.m.i), seine Berufung zum Prophetentum, die Unterstützung durch die Menschen von Medina, die Schlacht von Badr oder die Eroberung Mekkas – wurde die Hidschra als Beginn der Zeitrechnung gewählt. Dies ist ein Thema, das besondere Beachtung verdient. Denn die Hidschra wurde als Hauptursache für alle Schönheiten und Entwicklungen in der islamischen Geschichte angesehen. Der letzte Ziegel, der letzte Stein, wurde erst durch die Hidschra an seinen Platz gesetzt.
Der Gesandte Gottes (F.s.m.i) sagte zu jedem, der in Mekka den Glauben angenommen hatte: „Du wirst auch den Treueeid auf die Hidschra leisten.“ Dabei legte er beim Handschlag den Glauben gewissermaßen auf eine Waagschale und die Hidschra auf die andere. Daher wurde die Hidschra in jener Zeit – auch wenn sie keine Bedingung des Glaubens war – wie eine der Grundpflichten des Islams betrachtet.
Die ehrenvollen Gefährten, die die diesbezüglichen Gebote des Korans sehr gut verstanden hatten, reisten auf Pferden und Kamelen in ferne Gegenden aus.
Der ehrwürdige Noah (F.s.m.i) hat nach seinen Reisen über Land auch eine erschütternde Reise über das Meer auf sich genommen. Der ehrwürdige Abraham (F.s.m.i) ist unermüdlich umhergezogen – Babylon, Hedschas, das Land Kanaan… Über Jesus (F.s.m.i) wurde der Beiname „el-Mesīḥ“ (der Messias) gegeben, dessen Bedeutung ebenfalls “der Reisende” ist.
Es gibt kaum einen großen Verfechter einer Sache, einen Idealisten, der nicht ausgewandert wäre. Dass alle Erneuerer (Mudjeddid) und geistlichen Wegweise (Murschid) zur Auswanderung angehalten haben, zeigt, dass die Hidschra ein göttliches Gesetz ist. Imam Ghazzālī hat beinahe keinen Ort ausgelassen, den er nicht bereist hat, und der ehrwürdige Imam Rabbānī war ständig unterwegs – von einem Ende Indiens bis zum Anderen.
Für die Hidschra, die auf dem Weg Gottes unternommen wird, ist keine bestimmte, exakt benannte Belohnung überliefert. Möglicherweise deutet das darauf hin, dass solche Taten im Jenseits als Überraschung belohnt werden. Die Engel schreiben diese Tat – ähnlich wie beim Fasten – vollständig auf, aber die Belohnung dafür bestimmt der Erhabene Gott höchstpersönlich.
Unsere geehrten Gefährten (Gott habe Wohlgefallen an ihnen) verließen bei ihrer Auswanderung von Mekka nach Medina vollständig ihre Heimat und alles, was dazu gehörte. Dabei war Mekka sowohl in wissenschaftlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine der zivilisiertesten Städte der arabischen Halbinsel jener Zeit. Sie hatten Mekka so vollständig aus ihren Herzen gerissen, dass die Auswanderer (Muhâdschirûn), die in späteren Zeiten aus verschiedenen Anlässen nach Mekka zurückkehrten und dabei erkrankten, vor Angst zitterten mit dem Gedanken: „Wir werden in Mekka sterben und unsere Hidschra wird unvollständig bleiben!“ Obwohl Mekka so heilig und gesegnet war, war für die Gefährten des Propheten (Sahāba) die Sorge, außerhalb ihres Auswanderungsortes zu sterben, stets eine große Quelle der Furcht.
Ṣaʿd ibn Ebī Weqqās erkrankte im Jahr der Abschiedspilgerfahrt schwer in Mekka. Als der Prophet (F.s.m.i.) ihn besuchte, sagte er: „O Gesandter Gottes! Werden meine Gefährten nach Medina zurückkehren, während ich hierbleibe? Werde ich hier sterben?“ Der Gesandte Gottes (F.s.m.i.) antwortete ihm: „Nein, du wirst nicht hierbleiben. Ich hoffe von Gott, dass du noch viele Jahre leben, um Gottes Willen schöne Taten vollbringen und dich dadurch erheben wirst.“ Und anschließend sprach er das Bittgebet: „O Gott! Vervollkommne die Auswanderung (Hidschra) meiner Gefährten! Lass sie nicht zurückkehren und ihre Auswanderung unvollständig lassen!“[3]
Die Auswanderer (Muhādjirūn) sollten diese ehrenvolle Tat ohne jegliche weltliche Erwartung vollbringen. Gott der Erhabene kann für das, was man um Seinetwillen verlässt – je nach Aufrichtigkeit der Absicht – manchmal eine, manchmal zehn, manchmal hundert oder sogar tausendfache Belohnungen geben.
Geehrte Gläubige!
Die Hidschra ist eine der bedeutendsten Realitäten der Menschheitsgeschichte. Sie wurde durch unsere geehrten Gefährten und Jünger (Ḥawārīyūn) auf höchstem Niveau verkörpert. Auch heute kann man sagen, dass eine Hidschra auf ähnlich hohem Niveau stattfindet.
„Wer auf dem Weg Gottes auswandert, der wird auf der Erde viele Zufluchtsorte und Weite finden…“[4] Durch eine solche Hidschra kann es Menschen geben, die den Glauben und den Koran finden, aber auch solche, die in ihrem Innersten Freundschaft und Dialog verspüren. Wenn unser Herr uns zwangsweise in die entlegensten Winkel der Welt verstreut hat, dann hat dies sicher eine göttliche Weisheit und eine Beziehung zum Schicksal. Unsere Aufgabe ist es, diese Weisheit zu erkennen und unserer Hidschra gerecht zu werden. Die Hidschra, die mit den Gefährten begann, wird in unserer Welt von jenen weitergeführt, die in ihre Fußstapfen treten. Das Wesen ist gleichgeblieben – nur die Form hat sich verändert.
Diejenigen, die zu verschiedenen Zeiten und auf unterschiedliche Weise für die Sache der Wahrheit auswandern, werden – gemäß dem Prinzip „Die Taten richten sich nach den Absichten“ – entsprechend ihrer Absicht belohnt werden und, so Gott will, ihren Platz hinter den ersten Auswanderern finden!
Wie glücklich sind jene, die der Hidschra gerecht werden und im Jenseits hinter den Gefährten ihren Platz einnehmen – Frohe Botschaft denen, die mit Menschen verschiedenster Herkunft zusammentreffen, sich verbinden und Brücken der Freundschaft bauen!
[1] Sure en Nisā 4:100
[2] Bukhārī, eymān 23
[3] Muslim, waṣiyya 5
[4] Sūre en-Nisā, 4:100