
بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ
يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا أَنْفِقُوا مِمَّا رَزَقْنَاكُمْ مِنْ قَبْلِ أَنْ يَأْتِيَ يَوْمٌ لَا بَيْعٌ فِيهِ وَلَا خُلَّةٌ وَلَا شَفَاعَةٌ وَالْكَافِرُونَ هُمُ الظَّالِمُونَ
„O ihr, die ihr glaubt! (Um euch des Zusammengehörigkeitsgefühls und der Ordnung als fest zusammenhaltende, friedliche Gemeinschaft zu erfreuen) gebt (für Gottes Sache und für die Bedürftigen) von dem, was Wir für euch bereitet haben (an Vermögen, Kraft, Wissen und dergleichen), bevor ein Tag kommt, an dem es keinen Handel, keine Freundschaft (die euch irgendwie nützen kann) und keine Fürsprache gibt (von der Art, wie ihr sie euch in dieser Welt zunutze macht). Die Ungläubigen – sie sind es, die Unrecht tun (jene, die unfähig sind, die Wahrheit zu erkennen, und die ihre innere und äußere Welt verfinstern und die sich vor allem und in erster Linie selbst Unrecht tun).“
Sure el- Baqara , Vers 254
In einem Hadith heißt es hierzu:
السَّخِيُّ قَرِيبٌ مِنَ اللَّهِ قَرِيبٌ مِنَ الجَنَّةِ قَرِيبٌ مِنَ النَّاسِ بَعِيدٌ مِنَ النَّارِ، وَالبَخِيلُ بَعِيدٌ مِنَ اللَّهِ بَعِيدٌ مِنَ الجَنَّةِ بَعِيدٌ مِنَ النَّاسِ قَرِيبٌ مِنَ النَّارِ، وَالْجَاهِلُ السَّخِيُّ أَحَبُّ إِلَى اللَّهِ عَزَّ وَجَلَّ مِنْ عَابِدٍ بَخِيلٍ
Unser Prophet (Friede sei mit ihm) sagte: „Der Großzügige ist Gott, dem Paradies und den Menschen nahe und vom Feuer fern. Der Geizige ist fern von Gott, dem Paradies und den Menschen und nahe dem Feuer. Ein unwissender Großzügiger ist Gott, dem Erhabenen, lieber als ein geiziger Frommer.“
Tirmiziḏi, birr 40
Ehrenwerte Musliminnen und Muslime! Unsere heutige Predigt handelt von den freiwilligen Spenden.
Der Ramadan ist gewissermaßen eine Zeitspanne, in der eine „Schulung der Großzügigkeit“ als Ausdruck edler Tugend praktiziert wird. Die im Ramadan verrichteten Taten sind bei Gott wertvoller und führen zu mehr Lohn als die in anderen Monaten. Jeder Gläubige sollte versuchen, zu den fünf täglichen Hauptgebeten zusätzliche Gottesdienste hinzuzufügen, ebenso sich um die Menschen in seiner Umgebung – insbesondere um die Bedürftigen – zu kümmern und sich in jeder Form des Guten zu engagieren.
Der Monat Ramadan hat auch eine Seite, die sich auf Geschwisterlichkeit und Freundschaft bezieht. Durch das Fasten denkt der Mensch über die Situation derer nach, die nicht einmal Nahrung finden können, und versteht ihren Zustand im Hunger noch besser. Dies entfacht seine Gefühle der Großzügigkeit. Deshalb bemühen sich Gläubige, insbesondere im gesegneten Monat Ramadan, vermehrt wohltätige Taten zu vollbringen.
Der Ramadan, der alle Farben der Gottesdienste in sich vereint, ist gewissermaßen eine Zeitspanne, in der eine „Schulung der Großzügigkeit“ als Ausdruck edler Tugend praktiziert wird.
Unser Prophet (F.s.m.i.) begnügte sich im Ramadan nicht nur mit dem Gottesdienst, sondern tat alles an Wohltaten, was möglich war, um eine noch engere Verbindung zu Gott aufzubauen. Sein Leben im Ramadan war ein Ausschnitt aus der Dienerschaft, die er auf dem Weg zur Vollkommenheit lebte. Er verkörperte eine Form der Gottesdienerschaft, die einen dazu bringen würde zu sagen: „So sieht wahre Gottesdienerschaft aus.“
Der Gesandte Gottes (F.s.m.i.), der stets großzügig war, entfaltete im Ramadan eine noch größere Großzügigkeit. Wie Ibn ʿAbbās (Gott habe Wohlgefallen an ihm) berichtet, nahm seine Großzügigkeit insbesondere während der Begegnungen mit dem Erzengel Gabriel (F.s.m.i.) im Ramadan noch weiter zu. In diesen Tagen war der Gesandte Gottes (F.s.m.i.) großzügiger als der Wind, der den Menschen Barmherzigkeit bringt.[1] Das bedeutet, dass er selbst das Letzte, was er besaß, verteilte. Der edle Prophet (F.s.m.i.) war ohnehin der Großzügigste unter den Menschen. Wenn jemand ihn um etwas bat und er es besaß, gab er es sofort; falls er es nicht hatte, versprach er es zu geben. Manchmal wurde er sogar um das einzige Gewand gebeten, das er trug – und ohne zu zögern, gab er es weg. Großzügigkeit sollte auch in Zeiten von Not und Bedrängnis durchgeführt werden.
Im Koran heißt es:
„Und wetteifert, um die Vergebung eures Herrn zu erlangen und einen Garten, dessen Weite die Himmel und die Erde umfasst und der bereitet ist für die Gottesfürchtigen, Frommen.
Jene, die bereitwillig hingeben (von dem, womit Gott sie versorgt hat), sowohl in Freud als auch in Leid, und die stets ihren Zorn zähmen (selbst wenn sie gereizt werden und Vergeltung üben könnten) und den Menschen (ihre Beleidigungen) verzeihen. Gott liebt (solche) Menschen, die sich bemühen, Gutes zu tun, und sich bewusst sind, dass Gott sie sieht.“[2]
Ebū Hurayra (Gott habe Wohlgefallen an ihm) berichtet, dass er den Propheten (F.s.m.i.) fragte: „Oh gesandter Gottes, welche freiwillige Spende ist die vorzüglichste?“, Er (F.s.m.i.) sagte: „Die Großzügigkeit eines Armen.“ Zu einer anderen Zeit rezitierte der Gesandte Gottes (F.s.m.i) die Sure et-Tekāthur:
„(اَلْهٰيكُمُ التَّكَاثُرُ) – Die Anhäufung von Reichtum lenkt euch ab.“
Dann sagte er (F.s.m.i.): „Der Mensch sagt: ‚Mein Besitz, mein Besitz!‘ Doch was gehört den Kindern Adams wirklich? Nur das, was er gegessen und verbraucht hat, was er getragen und abgenutzt hat und was er zu Lebzeiten als Spende vorausgeschickt hat. (Alles andere lässt er mit dem Tod zurück und überlässt es den Menschen.)“
Diese Wahrheit wird auch in folgender Aussage ausgedrückt:
„Wenn ein Mensch stirbt, schauen die Engel, was er mitgebracht hat, während die Hinterbliebenen betrachten, was er hinterlassen hat.“
Der Prophet (F.s.m.i.) erklärte den spirituellen Wert von freiwilligen Spenden und Wohltaten sinngemäß mit folgenden Worten: „Gott führt durch eine einfache Gabe wie ein Stück Brot, eine Handvoll Datteln oder etwas anderes, das einem Bedürftigen zugutekommt, drei Personen in das Paradies:“
- Denjenigen, der zur Spende anweist,
- Denjenigen, der die Spende vorbereitet,
- Denjenigen, der die Spende an den Bedürftigen überbringt.[3]
Die Schöpfungsausgabe und ihre Zeit
Die Schöpfungsausgabe ist ein Zeichen der Dankbarkeit dafür, als Mensch erschaffen worden zu sein, den Ramadan gefastet und das Fest erreicht zu haben. Sie ist eine Spende, die als Entschädigung für mögliche Verfehlungen während des Fastens im Ramadan und zur Vervollständigung etwaiger Mängel gegeben wird. Im Volksmund ist sie als Fitre bekannt und gilt als Zeichen der Treue.
Das Ziel der Schöpfungsausgabe ist es, einem Bedürftigen entsprechend dem Lebensstandard der Gesellschaft, in der er lebt, die Nahrung für einen Tag bereitzustellen und ihm so die Freude des Festes zu ermöglichen. Die Verpflichtung zur Schöpfungsausgabe wurde im zweiten Jahr nach der Hidjra gleichzeitig mit der Einführung des Fastens im Ramadan erlassen. Der Prophet (F.s.m.i.) sagte in einem Hadith, dass sie für jeden Muslim entrichtet werden müsse.[4]
Nach der hanafitischen Rechtsschule ist die Schöpfungsausgabe verpflichtend (wādjib). In der Praxis gibt es im hanafitischen Recht keinen Unterschied zwischen wādjib (verpflichtend) und farḍ (obligatorisch). Die Empfänger der Schöpfungsausgabe sind dieselben wie bei der läuternden Pflichtabgabe (Zekāt). Demnach kann jeder, die läuternde Pflichtabgabe empfangen darf, auch die Schöpfungsausgabe erhalten. Sie kann bereits vor dem Fest entrichtet werden. Nach Imam Schāfiʿī ist dies bis zu einem Monat vorher möglich, während Ebū Ḥanīfa eine Zahlung bis zu einem Jahr im Voraus für zulässig hält.
Verehrte Gläubige!
Hier gibt es eine Angelegenheit, die von manchen missverstanden wird und einer Erklärung bedarf. Wir sind verpflichtet, unsere Hilfen so schnell wie möglich an die Bedürftigen weiterzuleiten. Der Gedanke, Spenden bis zur Nacht der Bestimmung (Leylet el-Qadr) zurückzuhalten, um eine größere Belohnung zu erlangen, ist in gewisser Hinsicht nicht richtig.
Es ist durchaus möglich, sich das Ziel zu setzen, bis zur Nacht der Bestimmung Spenden zu sammeln. Doch das bereits Gesammelte sollte unverzüglich weitergegeben werden, denn wir erleben außergewöhnlich schwierige Zeiten. Es gibt unzählige Waisen und Halbwaisen, deren Mütter oder Väter im Gefängnis sind oder in der Ferne leben. Hunderte von Geschwistern sehnen sich nach ihren Familien und Kindern. All diese Verlassenen warten auf aufrichtige und treue Menschen, die sich ihrer annehmen. Sie benötigen dringend Spenden und Hilfspakete, die ihnen ermöglichen, ihr Fasten zu brechen und ihre Mahlzeit einzunehmen, um wenigstens einen Moment Erleichterung zu verspüren.
Unser Glaube sagt uns: Jede Hilfe, die diesen Unterdrückten zukommt – egal zu welchem Zeitpunkt –, wird bei unserem Herrn so wertvoll und angesehen sein, als hätte sie in der Nacht der Bestimmung selbst ihr Ziel erreicht.
Unsere Bitte an unseren erhabenen Herrn ist, dass er – um der gesegneten Stunden, der gefasteten Tage und der mit Ehrfurcht rezitierten Verse des Korans willen – all unsere guten Taten annehmen und uns mit seiner unendlichen Barmherzigkeit vergeben möge. Amin!
[1] Bukhārī, Ṣawm 7; Muslim, Feḍāil 48, 50
[2] Sūre Āl ʿimrān, Vers 133-134
[3] el-Ḥākim, el-Mustedrak 4/149
[4] Muslim, Zekāt 12