Die Sure el Beled aus heutiger Perspektive

بسم الله الرحمن  الرحيم

Ehrenwerte Musliminnen und Muslime! Unsere heutige Freitagspredigt wird sich mit „den steilen Wegen, die in der Sure el-Beled als ʿAqabe bezeichnet werden, und deren Bedeutung für unsere Zeit“ befassen.

فَلَا اقْتَحَمَ الْعَقَبَةَ (11) وَمَا أَدْرَاكَ مَا الْعَقَبَةُ (12) فَكُّ رَقَبَةٍ (13) أَوْ إِطْعَامٌ فِي يَوْمٍ ذِي مَسْغَبَةٍ (14) يَتِيمًا ذَا مَقْرَبَةٍ (15) أَوْ مِسْكِينًا ذَا مَتْرَبَةٍ (16) ثُمَّ كَانَ مِنَ الَّذِينَ آمَنُوا وَتَوَاصَوْا بِالصَّبْرِ وَتَوَاصَوْا بِالْمَرْحَمَةِ (17) أُولَئِكَ أَصْحَابُ الْمَيْمَنَةِ (18)

11. Doch er gibt sich keine Mühe, um den steilen Weg nach oben einzuschlagen.

12. Was lässt dich wissen, was der steile Weg nach oben ist?

 13. Er besteht in der Auslösung eines Leibeigenen (eines Sklaven oder Gefangenen);

14. Oder der Speisung an einem Tag, an dem Hungernot herrscht,

 15. Von einem Waisenkind, zu dem Verwandtschaftsbande bestehen,

16. Oder von einem armen Menschen, der sich im Elend befindet;

17. Und dass man davon abgesehen zu jenen gehört, die glauben und einander zu Geduld aufrufen und sich gegenseitig zu Mitgefühl und Erbarmen anspornen.

 18. Das sind die Glückseligen und Erfolgreichen (denen ihre Niederschrift am Tag des Jüngsten Gerichts in die rechte Hand gegeben wird).[1]

In einer Überlieferung unseres Propheten (F.s.m.i) heißt es:

مَنْ نَفَّسَ عَنْ مُؤْمِنٍ كُرْبَةً مِنْ كُرَبِ الدُّنيَا نَفَّسَ اللهُ عَنْهُ كُرْبَةً مِنْ كُرَبِ يَوْمِ اْلقِيَامَةِ، وَمَنْ يَسَّرَ عَلَى مُعَسِّرٍ يَسَّرَ اللهُ عَلَيْهِ فِيْ الدُّنْيَا وَالآَخِرَةِ، وَمَنْ سَتَرَ مُسْلِمَاً سَتَرَهُ اللهُ فِيْ الدُّنْيَا وَالآخِرَةِ، وَاللهُ فِيْ عَوْنِ الْعَبْدِ مَا كَانَ الْعَبْدُ فِي عَوْنِ أَخِيْهِ،     

„Wer einem Muslim eine seiner weltlichen Sorgen nimmt, dem wird Allah am Tag des Gerichts veine seiner Sorgen nehmen. Wer einem Bedrängten Erleichterung verschafft, dem wird Allah seine Angelegenheiten in dieser Welt und im Jenseits erleichtern. Wer die Fehler eines Muslims bedeckt, dessen Fehler wird Gott in dieser

Welt und im Jenseits bedecken. Und solange der Diener seinem Bruder hilft, ist auch Gott sein Helfer.“[2]

„ʿAqabe“ bedeutet Dinge wie Steigung, Hügel, steiler oder beschwerlicher Aufstieg, also ein unebener und schwer zu überwindender Weg.
Im Koran wird das Wort Akabe sinnbildlich verwendet, um den inneren Kampf des Menschen zu beschreiben, wenn er etwas von seinem Besitz abgibt. Wenn ein Mensch trotz aller äußeren Zwänge, teuflischen Triebe und Einflüsterungen es schafft, seine Begierden zu beherrschen, nicht zum Sklaven seines Besitzes, sondern zum Herrn über ihn zu werden, dann hat er diese äußerst schwierige Hürde (akabe) überwunden. Als Folge dessen wird er im ewigen Leben zu jenen gehören, die ihr Buch der Taten in die rechte Hand erhalten und ins Paradies eingehen.

Im Vers drückt der Ausdruck „fekk-u raqabe“ (فَكُّ رَقَبَةٍ), der bedeutet, einen Sklaven aus der Sklaverei oder einen Gefangenen aus der Gefangenschaft zu befreien und ihm die Freiheit zu schenken, eine Wirklichkeit aus, die in jeder Epoche relevant ist. Auch wenn Sklaverei und Gefangenschaft heute nicht mehr in der offenen und offiziellen Form der Geschichte existieren, gibt es dennoch viele Gefangene, die in den Händen der Unterdrücker geblieben sind. Im Lichte der Koranverse betrachtet, gehören dazu Menschen, die zu Unrecht in Gefängnissen festgehalten werden, Familien, die unter der Schuldknechtschaft kaum atmen können, Flüchtlinge, die vor Unterdrückung geflohen sind, sowie die in den Ketten der modernen Zeit gefangenen Sklaven und Gefangenen. Sie in die Freiheit zu führen, ist eines der edelsten Beispiele für eine Wohltat. Denn die Freiheit des Menschen steht über allem.

Die Befreiung von Menschen aus der Sklaverei und ihre Rückführung in die Freiheit wurde besonders häufig vom Gesandten Gottes selbst und von wohlhabenden Gefährten in seiner Nähe praktiziert.

Einmal sagte ein Beduine zum Gesandten Gottes: „O Gesandter Gottes! Lehre mich etwas, das mich ins Paradies führt.“ Darauf antwortete der Gesandte Gottes: „Rette ein Leben oder befreie einen Sklaven.“

Ein weiterer Aspekt, der als ʿAqaba (das steile Hindernis) bezeichnet wird, ist der  Koranvers:
أَوْ إِطْعَامٌ فِي يَوْمٍ ذِي مَسْغَبَةٍ

Oder der Speisung an einem Tag, an dem Hungernot herrscht

Das bedeutet: In Zeiten allgemeiner Not, Hungers und wirtschaftlicher Krise diejenigen zu nähren, die ihre grundlegendsten Bedürfnisse nicht stillen können, und sie aus ihrer bedrängten Lage zu befreien. Sowohl im eigenen Land als auch außerhalb gibt es viele Unterdrückte und Bedürftige: Menschen, die willkürlich aus ihrem Beruf entlassen wurden, denen alle Wege zur Arbeit verschlossen sind und die kaum wissen, wie sie Nahrung für ihre Familien beschaffen sollen. Manche sind ihrer Häuser und Heimatländer beraubt, manche ihrer Eltern, manche ihres gesamten Vermögens.

Außerdem wird auch der Koranvers يَتِيمًا ذَا مَقْرَبَةٍ – „Von einem Waisenkind, zu dem Verwandtschaftsbande bestehen“  als ein Aspekt der ʿAqaba (des steilen Weges) beschrieben.

Das Wort Waise (arab. yetīm) bedeutet im weiteren Sinn ein verlassenes, schutzloses Kind. Aus heutiger Perspektive wäre es zu eng gefasst, den Waisen nur als „Kind ohne Vater“ zu verstehen. Der Vater ist normalerweise derjenige, der für seine Kinder sorgt, sie materiell und seelisch betreut, ihre Bedürfnisse erfüllt und sie beschützt. Auch heute gibt es viele Kinder, die in ähnlicher Weise Unterstützung, Fürsorge und Schutz benötigen. Zahlreiche Waisen und Halbwaisen haben Mütter oder Väter, die im Gefängnis oder weit entfernt sind und sie warten auf treue Menschen, die sich ihrer annehmen. Ein weiterer Aspekt der ʿAqaba ist, sich der Obdachlosen anzunehmen:
أَوْ مِسْكِينًا ذَا مَتْرَبَةٍ – „. Oder von einem armen Menschen, der sich im Elend befindet;“,
also egal wo auf der Welt, unabhängig von Herkunft, Religion, Sprache oder Geschlecht, einem obdachlosen, heimatlosen und mittellosen Menschen beizustehen, ihn zu nähren und zu unterstützen. Dies umfasst nicht nur materielle Hilfe, sondern auch das Stillen geistiger und seelischer Bedürfnisse durch Zuwendung, Mitgefühl und Wissen.

Am Ende der Sure wird ebenfalls eine weitere „ʿAqabe“, also ein zu überwindendes Hindernis, erwähnt: aufrichtig zu glauben, einander Geduld und Barmherzigkeit zu lehren und selbst ein Beispiel für Geduld und Barmherzigkeit zu sein. Es bedeutet, auf lokaler wie globaler Ebene, unter Nutzung aller Kommunikationsmittel, zu denen zu gehören, die sich gegenseitig in jeder Lebenslage zur Geduld und zum Erbarmen ermahnen. All dies wird in den Koranversen als die zu überwindenden beschrieben.

Ehrwürdige Gläubige!

Während man versucht, diese steilen Wege zuüberwinden, können einem viele neue Hindernisse begegnen. Während man versucht, diese steilen Wege zu überwinden, können einem viele neue Hindernisse begegnen. Solche guten und wohltätigen Taten können manchmal missachtet oder gar verboten werden, sodass ihre Umsetzung sehr schwierig wird. In solchen Zeiten wird die zu überwindende Hügel selbst die Geduld, das Durchhaltevermögen und die gegenseitige Ermahnung zur Standhaftigkeit. Wenn sich in einer solchen beängstigenden und bedrückenden Phase viele Menschen aus Furcht zurückziehen, ist es umso wichtiger, selbst ein Vorbild zu sein. Der Koran beschreibt diejenigen, die diese guten Werke vollbringen, als Menschen, denen ihre Tatenbücher in die rechte Hand gegeben werden und verheißt ihnen das Paradies. Diejenigen hingegen, die die ihnen gewährten Gaben missachten und undankbar sind, werden als solche bezeichnet, denen ihre Bücher in die linke Hand gegeben werden und sie gehören zu den Bewohnern der Hölle. Möge unser erhabener Herr uns allen die Kraft, den Willen und die Aufrichtigkeit verleihen, diesen steilen Weg zu überwinden. Möge Er uns Helden wie Ebū Bekr (Gottes Wohlgefallen mit ihm) und unsere Mutter Khadija (Gottes Wohlgefallen mit ihr) schenken, die uns auf diesem schweren Weg beistehen.


[1] Sure el Beled 90: 11-18

[2] Ebū Dawūd, Edeb, 60

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