
بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ
إِنَّا أَنْزَلْنَاهُ فِي لَيْلَةِ الْقَدْرِ (1) وَمَا أَدْرَاكَ مَا لَيْلَةُ الْقَدْرِ (2) لَيْلَةُ الْقَدْرِ خَيْرٌ مِنْ أَلْفِ شَهْرٍ
1. Wir haben ihn (den Koran) fürwahr in der Nacht der Bestimmung und Allmacht herabgesandt.
2. Und was lässt dich wissen, was die Nacht der Bestimmung und Allmacht ist?
3. Die Nacht der Bestimmung und Allmacht ist besser als tausend Monate.( Sure el Qadr 97:1-3)
In einem Hadith heißt es:
عن عائشة رضي الله عنها قالت: قلت: يا رسول الله أرأيت إن علمت أي ليلة القدر ما أقول فيها؟ قال: ” قولي: اللهم إنك عفو تحب العفو فاعف عني
Unsere ehrwürdige Mutter ʿĀischa (Gott habe Wohlgefallen an ihr) berichtet: „Ich fragte: O Gesandter Gottes, wenn ich wüsste, dass es die Nacht der Bestimmung ist, welches Bittgebet sollte ich sprechen?“ Er sagte: „O Gott! Du bist vergebend, Du liebst es zu vergeben, so vergib mir.“
(Tirmidhi, Daʿwāt 84)
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Ehrenwerte Musliminnen und Muslime!
Wir befinden uns in den letzten Tagen des gesegneten Monat Ramadan. In diese 10 Tagen birgt sich auch die Wertvolle Nacht, die Leylet el-Qadr. Der Begriff „Qadr“ bedeutet unter anderem „Rang, Ehre, Wert und Erhabenheit“. Die Nacht der Bestimmung ist demnach eine ehrenvolle, wertvolle und erhabene Nacht. Laut dem Koran ist der Lohn für jemanden, der diese Nacht mit Gottesdiensten verbringt, gleich dem Lohn für tausend Monate Gottesdienst. Diese Art von Nächten sind Zeiten des Segens, in denen uns Gottes Gnade zuteilwird.
Der Engel Gabriel (F.s.m.i.) brachte in dieser Nacht die erste Offenbarung, also die ersten fünf Verse der Sure el-ʿAlaq wurden erstmals in dieser gesegneten Nacht offenbart. Da in dieser Nacht das Buch, das bis zum Jüngsten Tag den Menschen als Wegweiser dienen wird, zur Erde gesandt wurde, wird sie auch als „die Königin der Nächte“ bezeichnet. Der Prophet (F.s.m.i.) sagte: „Wer im Ramadan mit aufrichtigem Glauben und in der Hoffnung auf Belohnung fastet, dem werden seine vergangenen Sünden vergeben. Und wer die Nacht der Bestimmung mit aufrichtigem Glauben und in der Hoffnung auf Belohnung mit Gottesdiensten verbringt, dem werden seine vergangenen Sünden vergeben.“ (Bukhārī, Imān 25, 27, 28)
Eine Person, die der Vortrefflichkeit und des Segens dieser Nacht beraubt ist, ist wie eine Person, die aller Segen beraubt ist.
Wann ist die Nacht der Bestimmung?
Gott hat in dieser Welt der Prüfungen vieles verborgen. So hat Er die genaue Stunde des angenommenen Bittgebets am Freitag, den Zeitpunkt des Todes im Leben und den Weltuntergang in der Zeit verborgen. In gleicher Weise hat Gott die Nacht der Bestimmung unter den Tagen des Ramadans verborgen. Tatsächlich wurde der Zeitpunkt der Nacht der Bestimmung (Leylet al-Qadr) unserem geehrten Propheten (F.s.m.i.) mitgeteilt. Doch als er hinausging, um diese Nachricht zu verkünden, sah er zwei Menschen streiten. Daraufhin sagte er: „Ich wollte euch den Zeitpunkt der Nacht der Bestimmung mitteilen, doch während ich mich mit den Streitenden beschäftigte, wurde sie mir vergessen.“ (Bukhārī, Leylet el Qadr, 4)
Mit diesen Worten deutete er (F.s.m.i.) sowohl darauf hin, wie tief ihn selbst die kleinste Uneinigkeit und Auseinandersetzung unter den Gläubigen verletzte, als auch darauf, dass in der Verborgenheit der Nacht der Bestimmung eine göttliche Weisheit liegt. Zudem weist diese Begebenheit darauf hin, dass manchmal schon eine kleine Streitigkeit eine große Tür des Segens verschließen kann. Der Prophet (F.s.m.i.) empfahl, die Nacht der Bestimmung im gesamten Jahr, besonders im Ramadan und insbesondere in den letzten zehn Tagen des Ramadan, zu suchen. Besonders in den ungeraden Nächten dieser letzten zehn Tage sollte sie erwartet werden. (Bukhārī, Faḍl Leylet el-Qadr, 2-3; Muslim, Ṣiyām, 205-220)
Die Gelehrten haben die Nacht der Bestimmung der 27. Nacht des Ramadans zugeordnet und unter den Muslimen wurde es zur Tradition, diese Nacht als die Nacht der Bestimmung zu begehen.
Mit den Worten von Bediüzzaman Said Nursi: „Auch wenn sie nicht die tatsächliche Nacht der Bestimmung sein sollte, so schaut die Gemeinschaft der Muslime doch mit dieser Überzeugung auf diese Nacht – möge sie daher, so Gott will, als die wahre Nacht der Bestimmung angenommen werden.“ Wie viele andere fromme Menschen hat auch Bediüzzaman die Nacht der Bestimmung mit besonderer Hingabe nicht nur in der 27. Nacht, sondern auch an dem Tag davor und danach begangen.
Von der ehrwürdigen ʿĀʾischa (Gott habe Wohlgefallen an ihr) wird überliefert, dass der Gesandte Gottes (F.s.m.i.) in den letzten zehn Tagen des Ramadan mehr gebetet und sich intensiver dem Gottesdienst gewidmet hat als an den übrigen Tagen des Ramadan. (Muslim, Iʿtikāf, 8).
Wie können wir die Nacht der Bestimmung nutzen?
Eine der besten Möglichkeiten, die Nacht der Bestimmung zu verbringen, ist die Iʿtikāf (Zurückziehen für den Gottesdienst). Dies ist eine Sunnah, die der Gesandte Gottes (F.s.m.i.) niemals vernachlässigt hat und die eine große Bedeutung hat, um diese besondere Nacht bewusst zu empfangen und zu würdigen.
Die Iʿtikāf ist eine gottesdienstliche Handlung und eine starke Sunnah, die der Prophet (F.s.m.i.) bis zu seinem Lebensende stets praktizierte.
- Für Männer bedeutet Iʿtikāf, sich für eine gewisse Zeit in eine Moschee zurückzuziehen, in der das Hauptgebet mit der Gemeinschaft verrichtet wird.
- Für Frauen ist es möglich, diesen Gottesdienst in einem Raum ihres Hauses zu verrichten, der speziell für das Hauptgebet vorgesehen ist, oder in einer Ecke ihres Zimmers mit der Absicht der Iʿtikāf. (Merğinānī, el-Hidāye, 1/129)
Der Prophet (F.s.m.i.) begab sich in jedem Ramadan für zehn Tage in die Iʿtikāf. Im Jahr seines Todes aber blieb er zwanzig Tage in der Iʿtikāf. (Bukhārī, Iʿtikāf: 17). Ein Jahr zuvor hatte er aufgrund einer Reise nicht an der Iʿtikāf teilnehmen können. Die Gelehrsamkeit vertritt auch die Ansicht, dass man sich für einge Stunden mit der Absicht des Iʿtikāf zurückziehen kann, wie etwa in einem Zimmer in der eigenen Wohnung, wenn man nicht die Möglichkeit hat den Iʿtikāf für 10 Tage zu verrichten. Auf diese Weise können viele Gläubige von diesen gesegneten Tagen teilhaben.
Wenn es uns möglich ist, sollten wir die gesamte Nacht mit Bittgebeten, Dhikr und besonders mit dem Verrichten von Hauptgebeten verbringen. In unseren Bittgebeten sollten wir alle bedürftige und Menschen in der Not nicht vergessen. Vielleicht nimmt Gott der Erhabene durch ein einziges, aufrichtiges Bittgebet alle Sorgen und Nöte hinweg.
In dieser gesegneten Nacht wird der Lohn für jeden einzelnen Buchstaben des Korans um ein Vielfaches vervielfacht. Eine der wichtigsten gottesdienstlichen Handlungen dieser Nacht ist es, den Koran mit tiefer Empfindung, mit Hingabe und Tränen in den Augen zu rezitieren.
Reue und Vergebung gehören zu den Taten, die ein gläubiger Mensch stets praktizieren sollte. Besonders in der Nacht der Bestimmung ist dies eine wertvolle Gelegenheit. Es ist die perfekte Zeit, um aufrichtig Reue für unsere Verfehlungen gegenüber Gott zu zeigen und Vergebung zu suchen. Wenn wir gegenüber unseren Mitmenschen Unrecht begangen haben, sollten wir uns mit ihnen versöhnen, Vergebung erbitten und zerbrochene Herzen wieder gewinnen.
Verehrte Gläubige!
Zusammenfassend sollten wir in den letzten Tagen des Ramadan sofern es möglich ist die Iʿtikāf praktizieren, das Terāwīḥ-Gebet ausgiebig und voller Hingabe verrichten und diese segensreiche Zeit bestmöglich nutzen.
Möge unser Herr uns dazu befähigen, die Nacht der Bestimmung zu erleben und ihren Segen in vollem Umfang zu empfangen. Amin!