
بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ
إِنَّمَا الصَّدَقَاتُ لِلْفُقَرَاءِ وَالْمَسَاكِينِ وَالْعَامِلِينَ عَلَيْهَا وَالْمُؤَلَّفَةِ قُلُوبُهُمْ وَفِي الرِّقَابِ وَالْغَارِمِينَ وَفِي سَبِيلِ اللَّهِ وَابْنِ السَّبِيلِ فَرِيضَةً مِنَ اللَّهِ وَاللَّهُ عَلِيمٌ حَكِيمٌ
„Die reinigende Pflichtabgabe (die Zakat) ist nur für die Armen bestimmt und die Mittellosen (obwohl sie aus Selbstachtung nicht den Eindruck erwecken, dass sie bedürftig sind), und die mit ihrer Einsammlung (und Verwaltung) Beauftragten und jene, deren Herzen gewonnen werden sollen (damit sie Gottes Sache unterstützen; eingeschlossen sind auch jene, deren Gegnerschaft verhütet werden soll), und für die Befreiung jener, die in Knechtschaft (sei es in Sklaverei oder Gefangenschaft) gehalten werden, und um denen zu helfen, die mit Schulden überladen sind, sowie für die Sache Gottes (um Gottes Wort hochzuhalten, zum Unterhalt der Verteidigenden und Studierende und um die Pilger zu unterstützen) und für den Reisenden (der der Hilfe bedarf). Das ist eine von Gott auferlegte Verpflichtung. Gott ist wissend, weise.“ [1]
Der Prophet (F.s.m.i.) sagte:
الزَّكَاةُ قَنْطَرَةُ الْإِسْلَامِ
„Die läuternde Pflichtabgabe ist die Brücke des Islams.“
Ehrenwerte Musliminnen und Muslime,
unsere heutige Predigt handelt von der läuternden Pflichtabgabe. Die Zekāt ist eine der fünf Säulen des Islam. Das Wort bedeutet „Mehrung, Vermehrung, Reinigung und Überfluss“.
Die läuternde Pflichtabgabe ist die jährliche Abgabe eines bestimmten Betrages aus dem Vermögen eines als religiös wohlhabend geltenden Muslims an eine oder mehrere der acht im Koran genannten Klassen um Gottes willen. Dieser obligatorische Gottesdienst wird aus dem Koran abgeleitet wie etwa „Und verrichtet das Gebet, und entrichtet die reinigende Pflichtabgabe (Zakat)[…].“[2]
Genauso wie das Hauptgebet die Säule und die Essenz der Religion ist, ist die läuternde Pflichtabgabe die Brücke des Islams. Es sind zwei göttliche Grundsteine, eines bewahrt den Glauben, das andere die öffentliche Ordnung.[3]
Die läuternde Pflichtabgabe (Zekāt) bringt den Diener nicht nur näher zu Gott, sondern ist auch ein Mittel, um Seine Barmherzigkeit zu erlangen. Sie zählt zu den wesentlichen Aspekten, die sowohl in dieser Welt als auch im Jenseits die göttliche Barmherzigkeit anziehen. In Gesellschaften, in denen keine Zekāt gegeben wird, würden die Menschen – gäbe es nicht andere Lebewesen – sogar des Regens beraubt bleiben, der eine Manifestation der göttlichen Barmherzigkeit ist.[4] Anderen gegenüber barmherzig zu sein und ihre Bedürfnisse zu stillen, ist die größte Einladung zur göttlichen Gnade. Der Gesandte Gottes (F.s.m.i.) drückt diese Wahrheit mit den Worten aus: „Der Allerbarmer erbarmt sich derjenigen, die einander mit Barmherzigkeit begegnen. Seid barmherzig zu den Geschöpfen auf Erden, damit auch die Bewohner des Himmels euch Barmherzigkeit erweisen.“[5]
Im Koran wird die Zekāt als ein Mittel zur Erlangung der göttlichen Barmherzigkeit mit folgenden sinngemäßen Worten beschrieben: „Verrichtet das Gebet in Übereinstimmung mit seinen Vorschriften, und entrichtet die vorgeschriebene reinigende Abgabe für Bedürftige, und gehorcht dem Gesandten, damit euch Barmherzigkeit gewährt werde (sodass euch ein gutes, rechtschaffenes Leben in dieser Welt und ewig währende Glückseligkeit im Jenseits zuteil wird).“[6]
Die Engel beten für jene, die die läuternde Pflichtabgabe entrichten
Wir lernen vom Propheten (F.s.m.i.): „Jeden Tag kommen zwei Engel herab, einer von ihnen betet: „Mein Herr, vermehre den Reichtum des Spendenden”, während der andere: „Vernichte den Reichtum des Geizigen”, betet.[7]
8 Personengruppen im Koranvers
1. Arme (faqīr)
Mit der in dem Vers erwähnten „Armut“ sind Personen gemeint, deren Gesamteinkommen nicht ausreicht, um ihre grundlegenden Bedürfnisse zu decken, und deren Vermögen die Grenze zum Reichtum nicht überschreitet.
2. Mittellose (miskīn)
Mit den im Vers erwähnten „Miskīn“ sind Menschen gemeint, die noch schlechter gestellt sind als die „Armen“ und keinerlei Einkommen haben. Miskīn ist jemand, dessen Decke der Himmel und dessen Bett die Erde ist. Die Obdachlosen werden auch zu den Miskīns gezählt.
3. Beauftragten für die Einsammlung
Ihre Aufgabe ist es, die Pflichtabgaben einzusammeln und zu verteilen. Da der Anteil, den sie erhalten, einem Arbeitsentgelt entspricht, ist es selbst bei Vermögenden kein Hindernis, diesen Anteil in Anspruch zu nehmen.
4. Personen, deren Herzen gewonnen werden sollen
Damit sind jene gemeint, deren Herzen für das Gute und das Wahre erwärmt werden sollen. Diese Gruppe lässt sich in drei Unterkategorien gliedern:
- Menschen, die bereits an die Wahrheit glauben und sich ihr ergeben, deren Glaube jedoch noch nicht fest im Herzen verankert ist.
- Menschen, die (noch) nicht glauben, bei denen aber die Hoffnung besteht, dass sie sich der Wahrheit und dem Glauben verschreiben werden.
- Menschen, die nicht glauben und sogar dem Glauben gegenüber feindlich gesinnt sind. Auch ihnen soll man helfen, um ein friedliches Miteinander zu fördern.
5. Sklaven oder wie Sklaven behandelte Menschen
Auch wenn Gefangenschaft und Sklaverei heute nicht mehr in derselben Form bestehen wie in der Vergangenheit, so gibt es dennoch vergleichbare und andere fortdauernde Praktiken. Menschen, denen ihre Freiheit genommen wird, deren Besitz konfisziert ist, die nicht ausreisen dürfen oder zu Unrecht in Haft sitzen, können als Gefangene gelten. Ebenso können jene, die von staatlicher Seite quasi wie Sklaven behandelt werden – ohne jegliche Rechte, mit annullierten Diplomen, ohne Erlaubnis zu arbeiten und mit Reiseverboten belegt – zur Kategorie der Gefangenen oder Sklaven gezählt werden. Zekāt kann diesen Menschen gewährt werden, damit sie ihren Lebensunterhalt sichern und ihre Freiheit erlangen können und so aus einer Art Sklaverei befreit werden. Dies ist eine der Formen der gegenseitigen Hilfe, auf die der Islam besonderen Wert legt.
6. Verschuldete
Damit sind Personen gemeint, die Schulden haben und – abgesehen von dem Betrag, der ihre Schulden deckt – nicht über ein Vermögen verfügen, das die Mindestgrenze für die Verpflichtung zur läuternden Pflichtabgabe erreicht. Unter die in der Religion genannten „Verschuldeten“, denen Zekāt gegeben werden soll, fallen nicht diejenigen, die ihrer Gier erliegen und sich selbst ins Unglück stürzen, sondern jene, die sich trotz sorgfältiger Planung verschuldet haben und in Schwierigkeiten geraten sind.
7. Diejenigen, die auf dem Weg Gottes sind
Dieser Begriff deckt ein breites Spektrum ab. Dazu zählen Gelehrte, die sich Gott zuliebe der Wissenschaft widmen, ebenso wie Personen und Institutionen, die sich dafür einsetzen, den Glauben zu verinnerlichen und das Gute zu empfehlen und vom Üblen abzuraten. Im Allgemeinen lassen sich viele Menschen und Wohltätigkeitsorganisationen, die sich für die Verbreitung der friedlichen Atmosphäre des Islams einsetzen, unter diesem Begriff zusammenfassen.
8. Reisende
Das sind Personen, die sich aus einem legitimen Grund fern ihrer Heimat aufhalten und trotz möglicher Vermögenswerte in ihrer Heimat, in der Fremde in Not geraten sind. Heutzutage sind hierzu vor allem jene zu nennen, die sich auf eine Auswanderung begeben haben. Wer bestimmte finanzielle Mittel benötigt, um sein Ziel zu erreichen, diese aber nicht auftreiben kann und daher in Schwierigkeiten gerät, fällt als Erstes in diese Kategorie.
Heute sind Eltern, die zu Unrecht inhaftiert sind, wie Gefangene und ihre Kinder wie Waisen. Es gibt Menschen in der Welt, die zu Unrecht verhaftet wurden, denen ihre Rechte entzogen wurden. Und sogar ihre Anwälte wurden aufgrund von Verleumdungen und Verschwörungen politischer Mächte verhaftet. Die Kinder und Familien dieser Opfer haben Bedürfnisse, die mit den läuternden Pflichtabgaben befriedigt werden können. Es gibt Menschen, die keinen Arzt oder keine Medikamente erreichen können, weil sie auf der Flucht sind oder keine Krankenversicherung haben, Menschen, die an einem Ort festsitzen und kein Geld für ein Reiseticket auftreiben können, Menschen, die nur mit den Kleidern, die sie am Leib tragen, flüchten konnten. Alle diese Menschen deren Situation wir erwähnt haben, erleben schwere Zeiten. Daher sind sie arm, gefangen, Schuldner, Reisende. Diese unterdrückten Menschen sollten bei der Abgabe der Zekāt vorrangig berücksichtigt werden.
Möge unser Herr, dessen Barmherzigkeit unendlich ist, uns für die guten Taten, die wir durch unsere läuternde Pflichtabgabe, die wir entrichtet haben, und die Gebete, vollbracht haben, vergeben.
[1] Sure et-Tewbe 9: 60
[2] Sure el-Baqara 2:43.
[3] Said Nursi, İşaratül icaz.
[4] Ibn Mādje, Fiten, 4019.
[5] Ebū Dāvūd, Edeb 58, Tirmidhī, Birr 16.
[6] Sure en-Nūr 26:56.
[7] Buchārī, Zekāt 27.