
بسم الله الرحمن الرحيم
إِنَّ عِدَّةَ الشُّهُورِ عِنْدَ اللَّهِ اثْنَا عَشَرَ شَهْرًا فِي كِتَابِ اللَّهِ يَوْمَ خَلَقَ السَّمَاوَاتِ وَالْأَرْضَ مِنْهَا أَرْبَعَةٌ حُرُمٌ ذَلِكَ الدِّينُ الْقَيِّمُ
Die Anzahl der Monate vor Gottes Angesicht beträgt zwölf, wie von Gott festgelegt und bestimmt an dem Tag, als Er die Himmel und die Erde erschuf. Vier von ihnen sind geschützt. Das ist die aufrichtige, ewig wahre Religion (die Ordnung, die Gott für die Bewegungsabläufe des Universums und für das Leben der Menschheit festgelegt hat) […][1]
In einem Hadith heißt es:
أَفْضَلُ الصِّيَامِ بعْدَ رَمضَانَ: شَهْرُ اللَّهِ المحرَّمُ
„Das beste Fasten nach dem Ramadan ist das Fasten im Monat Gottes, dem Muḥarram.[2]
Ehrenwerte Musliminnen und Muslime, unsere heutige Predigt handelt vom Monat Muḥarram und der Āschūrāʾ. Heute ist der 9. Muḥarram und morgen wird der 10. Muḥarram sein, also der Tag der Āschūrāʾ.
Der Monat Muḥarram ist einer der vier gesegneten Monate, denen besondere Achtung gebührt. In diesen Monaten werden die Belohnungen für verrichtete Gebete, Gottesdienste und wohltätige Handlungen vervielfacht, ebenso wie die Strafen für begangene Sünden und Ungerechtigkeiten.
Am Tag der Āschūrāʾ werden viele wichtige historische Ereignisse überliefert. Die Vergebung Adams (F.s.m.i), die Errettung der Arche Noah (F.s.m.i) von der Flut, die Errettung Abrahams (F.s.m.i) aus dem Feuer, das wiedertreffen von Jakob (F.s.m.i) und Josef (F.s.m.i), die Errettung des Propheten Jonas (F.s.m.i) aus dem Bauch eines Wales, sowie die Errettung Moses (F.s.m.i) und seines Volkes vom Pharao, indem sie das Rote Meer überquerten, sind einige Ereignisse, welche an diesem Tag stattgefunden haben sollen.
Das Fasten am Tag von Āschūrāʾ
Ibn ʿAbbās erinnert uns an folgendes: „Als der Gesandte Gottes (F.s.m.i) nach Medina auswanderte, sah er, dass die Juden am Āschūrāʾ-Tag fasteten und fragte: „Was ist das für ein Fasten?“ Man antwortete ihm: „Heute ist ein guter Tag. Gott hat an diesem Tag Moses und die Kinder Israels vor ihren Feinden gerettet. Deshalb fastete Moses (F.s.m.i) an diesem Tag.“ Der Prophet sagte: „Ich stehe Moses näher als ihr“ und befahl, an diesem Tag zu fasten.“ [3]
Diese Situation änderte sich, nachdem das Fasten im Monat Ramadan für obligatorisch erklärt wurde. In diesem Zusammenhang heißt es in einer Überlieferung unseres Propheten (F.s.m.i): „Heute ist der Tag der Āschūrāʾ. Heute ist das Fasten euch nicht vorgeschrieben. Wer möchte, soll Fasten und wer es nicht möchte, soll es nicht tun.“ Auf diese Weise wurde die Entscheidung selbst den Gläubigen übertragen. Ein Gebot, das zuerst Pflicht war und dann zu einer Sunna wurde, ist höher zu bewerten als eine Sunna ohne solche Vorgeschichte. Deshalb sollte man dem Fasten am Āschūrāʾ-Tag besondere Beachtung schenken. Tatsächlich hat der erhabene Gesandte (F.s.m.i) selbst gefastet und es auch empfohlen. Ferner erwähnt unser erhabene Prophet (F.s.m.i), dass das Fasten am Āschūrāʾ Tag ein Anlass für die Vergebung der Sünden und Fehler des vorangegangenen Jahres sein könnte.[4]
Kerbela
Im Jahr 60 nach der Hidschra kam Yezīd in Damaskus an die Macht, jedoch nicht als Kalif, sondern als Monarch. Da Yezīds Lebensweise nicht besonders fromm war, waren viele Prophetengefährte mit seiner Herrschaft nicht einverstanden. Um seine Macht zu sichern, schickte Yezīd sofort einen Brief an den Gouverneur von Medina. In dem Brief stand: „Wenn mein Brief dich erreicht, finde Ḥuseyn ibn ‘Ali und ‘Abdullah ibn Zubeyr und verlange von ihnen den Treueid. Wenn sie sich weigern, dann töte sie und schicke mir ihre Köpfe. Nimm auch den Treueid vom Volk, und wenn jemand sich weigert, verfahre mit ihm wie mit Ḥuseyn ibn ‘Ali und ‘Abdullah ibn Zubeyr. Friede sei mit dir.“ (Das bedeutet, auch das Volk soll getötet werden, wenn es den Treueid verweigert.)
Als Ergebnis wurde am 10. Tag des Monats Muḥarram im Jahr 61 nach der Hidschra (680 n. Chr.) der ehrwürdige Ḥuseyn (Gott habe Wohlgefallen an ihm) im Alter von 57 Jahren grausam ermordet. Sein Martyrium war für alle Muslime ein großer Trauergrund und ein Tag, der Gefühle der Trauer auslöst. An diesem Tag wurden in Kerbela 72 Angehörige vom ehrenwerten Ḥuseyn (Gott habe Wohlgefallen an ihm) getötet, es schien, als ob die gesamte Familie des Propheten (F.s.m.i) ausgelöscht werden sollte. Der große Gelehrte Muhammed Efe brachte es wie folgt zum Ausdruck:
„Heute ist der Monat Muharrem, die Liebenden des Hauses weinen.
Heute ist die Zeit des tiefen Gram, selbst fließendes Wasser weinen.“
Anlässlich des Monats Muharrem kann gefastet und man kann sich zu gemeinsamen Iftar-Mahlzeiten versammeln. Die Tugenden der Ehl El-Beyt und der Opfer von Kerbela insbesondere die Tiefe der Persönlichkeit von Imam Huseyn, können thematisiert werden, um sich mit ihnen zu verbinden und sich darum zu bemühen, so zu werden wie sie. Man kann der Ehl- el Beyt in guter Erinnerung gedenken, für sie beten, Mewlids veranstalten, den Koran vollständig rezitieren und andere gute Taten vollbringen, deren Lohn man ihnen widmen kann. Doch das reine Verharren in Trauer und das Annehmen einer bloßen Stimmung der Klage in einem Ausmaß, das mit einem Vorwurf an das göttliche Schicksal gleichkommen könnte, hat keinen eigenen Lohn.
ʿĀschūrāʾ:
„ʿĀschūrāʾ“ bedeutet „der zehnte Tag“. Der Überlieferung nach öffneten die Gläubigen, als sie gemeinsam mit dem Propheten Noah (F.s.m.i) vor der Flut gerettet worden waren, ihre Vorräte. Sie kochten eine Speise, indem sie Weizen, Kichererbsen, Bohnen und andere Lebensmittel miteinander vermischten. Diese gekochte Speise war so gesegnet, dass alle satt wurden. Auch nach vielen tausend Jahren wird dieser Tag der Rettung der Gläubigen durch die Zubereitung einer Süßspeise namens ‚ʿĀschūrāʾ‘ in Erinnerung behalten und lebendig gehalten.
Viele unserer Traditionen verbinden alle Mitglieder unserer Gesellschaft von jung bis alt und dienen als Mittel für Zusammenhalt, Solidarität und Zusammenarbeit. Obwohl unsere ʿĀschūrāʾ-Tradition auf den ersten Blick wie ein bloßes Anbieten einer Süßspeise erscheint, ist sie wegen des symbolischen, spirituellen Ereignisses, das sie verkörpert, und der Atmosphäre der Geschwisterlichkeit, die sie schafft, von großer Bedeutung. Während wir einerseits mit den ‘Āschūrāʾ Speisen den Tag der Rettung der Gläubigen, die dem Propheten Noah (Fs.m.i) folgten, gedenken, erinnern wir uns auch in Barmherzigkeit an Huseyn (Gott habe Wohlgefallen an ihm) und die Mitglieder der Ehl el-Beyt, die bei jenem tragischen Ereignis (in Kerbela) ihr Leben verloren.
Lassen Sie uns unsere Freitagspredigt mit einer Erinnerung beenden: Da am zehnten Tag des Monats Muharrem die Ermordung von Imam Huseyn und seiner Familie stattfand ein Ereignis, das das Herz aller Muslime erschüttert hat wird das Essen der Süßspeise an diesem Tag von Geschwistern, die eine tiefe Liebe zur Ehl el-Beyt empfinden, oftmals als unpassend empfunden.
Da in Kerbela am 13. Tag des Monats Muharrem allein Zeyn el-ʿĀbidīn, der Sohn von Imam Huseyn und Enkel des Propheten (Gott habe Wohlgefallen an ihnen), überlebte und somit deutlich wurde, dass die Nachkommenschaft des Propheten (F.s.m.i) weiterbestehen würde, ist es sinnvoller, die ʿĀschūrāʾ-Speise aus Dankbarkeit am 13. Tag (Mittwoch, 9. Juli) oder danach zu verteilen. Diese Empfehlung sollte lediglich ein Hinweis auf ein gewisses Verständnis und eine Form der Rücksichtnahme sein.
Unser Gebet an unseren Herrn ist, dass Er uns als Muslime ermöglicht, die notwendigen Lehren aus den historischen Ereignissen dieses Monats zu ziehen. Möge Er die verschiedenen Kerbelāʾs, die heutzutage in verschiedenen Farben und Formen erlebt werden, beenden. Möge Er denen, die dem Weg von Ḥuseyn (Gott habe Wohlgefallen an ihm) und Imam Zeyn el- ʿĀbidīn (Gott habe Wohlgefallen an ihm) folgen, Erlösung und Auswege gewähren. Āmīn!
[1] Sure et Tewbe 9:36
[2] Muslim, Ṣiyām, 202,203
[3] Buchārī, Ṣawm 69
[4] Muslim, Ṣiyām 197